Namen
Ohne sie geht nichts. Für alles, was wir kennen, gibt es Bezeichnungen. Ohne dieselben wäre Verständigung nicht möglich. Und nur wenn wir uns einig sind, welcher Name wen oder was bezeichnet, können wir uns sprachlich darauf einigen, worum es gerade geht. So weit so gut…
Was aber passiert, wenn etwas oder jemand seine Bezeichnung ändert? Ist Verständigung dann überhaupt noch möglich? Und weiter: bleibt das Bezeichnete trotz allem das gleiche? Oder ändert es sich mit seinem Namen?
Wer hat es nicht schon öfter gehört; vor allem bei politischen Reformen oder auch im Bildungswesen und den Erziehungswissenschaften: Da präsentiert uns mal wieder jemand alten Wein in neuen Fässern. Das bedeutet eigentlich nur, dass nichts geändert wird, sondern dem Kind nur ein neues Etikett aufgedrückt wird, damit es neu und innovativ wirkt. Obwohl, da sind sich dann auch alle einig, nichts Neues und Innovatives an der Sache zu finden ist, sondern im Gegenteil, die Frustration ob der Eintönigkeit und Ideenlosigkeit wächst.
Ist das also der Beweis dafür, dass ein Name nicht wichtig ist, sondern allein der Inhalt zählt?
Zwischen 1993 und 2000 änderte der Künstler Prince mehrfach seinen Namen. Er distanzierte sich dadurch von seinem Management und wollte einfach bei Null anfangen. Im Jahre 2000 kehrte er jedoch zu seinem Ursprung zurück. Die Intention von Prince zeigt, dass es bei Namen wohl doch auch um Identität geht. Der Ausgang der Geschichte spricht allerdings dafür, dass man sich nie ganz von seinen Wurzeln trennen kann.
Jetzt fragt sich der aufmerksame Leser so langsam sicher, wo in diesen Überlegungen der Zusammenhang steckt und wieso zur Hölle ich mir Gedanken darüber mache…
Betrachten wir noch einen historischen Fakt, der uns der Erklärung für diesen Text näher bringt. Namen von Personen richteten sich im Mittelalter häufig nach ihrem Beruf. Im Falle der Heirat nahm die Frau den Namen ihres Mannes an. Die Begründung dafür ist einfach: Sie verließ das Anwesen von Vater und Mutter um fortan dem Stand ihres Mannes anzugehören. Das machte eine neue Bezeichnung notwendig.
Noch 1919 besagte § 1 Abs. 1 der Verordnung (VO) der Weimarer Republik: „Der Name ist ein äußeres Kennzeichen der Person zur Unterscheidung von anderen Personen.“
Klingt alles sehr logisch. Und doch bringt mich das zum Nachdenken. Viele Lehrerinnen, die ich kenne, legten sich nach ihrer Hochzeit einen Doppelnamen zu. Auch dies wird damit begründet, dass sie ja ihre Bezeichnung brauchen, um eindeutig von den Schülerinnen und Schülern erkannt zu werden. Spricht das also gegen die einheitliche Bezeichnung einer Kleinfamilie von Frau und Mann?
Überhaupt, man vergleiche die Situation heute mit der im Mittelalter: Die Frau verlässt in der Regel nicht erst mit der Heirat Vater und Mutter. Und vor allem nimmt sie durch die Heirat nicht den Stand des Mannes an. Im Gegenteil. Heute sind Frauen selbstständig, haben sich vielleicht sogar eine eigene Karriere aufgebaut und sind unter ihrem Geburtsnamen bekannt.
Mir bedeutet mein Name viel. Er ist Teil von mir und hat mich seit meiner Geburt begleitet. Er ist mit mir durch gute und schlechte Zeiten gegangen. Mit ihm entwickelte ich mich zu dem Menschen, der ich heute bin. Und daher wird dieser Name immer ein Teil von mir sein. Und doch habe ich mich entschlossen, diesen Namen bei einer Hochzeit hinter mir zu lassen. Warum? Gute Frage. Vielleicht, weil es mir wichtig ist, zu zeigen, dass mein Mann und ich eine Familie sind. Vielleicht auch, weil zukünftige Kinder unter der gleichen Bezeichnung laufen sollten wie die Eltern. Oder, auch wenn das sicher der am wenigsten logische Grund ist, weil es schlichtweg Tradition ist.
Ich habe lange überlegt, was ich tun soll. Das zeigt der bisherige Text. Überzeugend war letztendlich mein englischer Lieblingsbarde, der in seinem Paradestück Romeo & Julia argumentierte, dass ein Name nur Beiwerk ist und niemals das ausmacht, was eine Person ist. Auch ohne Namen wären wir stets dieselben, mit all unseren Stärken und Schwächen. und was allein zählt, ist wie immer in solchen romantischen Dramen: die Liebe.
’Tis but thy name that is my enemy;
Thou art thyself though, not a Montague.
What’s Montague? it is nor hand, nor foot,
Nor arm, nor face, nor any other part
Belonging to a man. O! be some other name:
What’s in a name? that which we call a rose
By any other name would smell as sweet;
So Romeo would, were he not Romeo call’d,
Retain that dear perfection which he owes
Without that title. Romeo, doff thy name;
And for that name, which is no part of thee,
Take all myself.
(Shakespeare: Romeo & Juliet; Juliet in Act II, Scene II)
Kommentar verfassen