#31C3

Wie bereits letztes Jahr hat es meinen Mann und mich zwischen den Jahren wieder nach Hamburg verschlagen. Nachdem ich letztes Jahr an zwei Tagen erfolgreich von meiner Skepsis befreit wurde freue ich mich dieses Jahr die volle Zeit auf dem 31C3 verbringen zu dürfen.

Natürlich ist für einen Programmier-Analphabeten wie mich nicht jeder Talk verständlich, aber die ethisch-philosophisch orientierten Themen können jeden eigenständig denkenden Menschen fesseln, und die Mitmachangebote laden zum Ausprobieren verschiedenster Tätigkeiten ein. So habe ich mich gestern etwa (leider relative erfolglos) als Lock-Picker versucht. Eine Karriere beim Schlüsseldienst kann ich wohl vergessen.

Aber macht gar nichts, ich werde mich einfach in einer der nächsten Talk-Pausen zur Silberschmiede begeben. Mit der Herstellung von Schmuck stelle ich mich wahrscheinlich etwas geschickter an. Immerhin habe ich in dem Bereich schon etwas Erfahrung sammeln können… 😉

Am gestrigen ersten Kongresstag gab es aber auch schon den ein oder anderen spannenden Vortrag, von dem es sich zu berichten lohnt.

Da war zum einen der Talk „Mit Kunst die Gesellschaft hacken“. Stefan Pelzer und Philipp Ruch vom Zentrum für politische Schönheit berichteten von ihrer Arbeit, auf soziale Missstände aufmerksam zu machen, und dann, anders als viele andere Organisationen, sogar aktiv etwas dagegen zu unternehmen.

Es wurden drei spannende Projekte der letzten Jahre vorgestellt. Das erste prangerte aus Deutschland organisierten Waffenhandel an. Jetzt mag man denken, Waffenhandel, das ist doch kriminell. Aber im Gegenteil. Die drahtziehenden und davon profitierenden Menschen waren gesellschaftlich integriert und akzeptiert. So war etwa eine Dame gar Lehrerin, die offensichtlich kein Problem mit ihrem tödlichen Nebeneinkommen hatte.

Ein anderes Projekt war es, syrischen Kindern die Möglichkeit zu verschaffen, aus dem Krisengebiet zu flüchten und in einer deutschen Familie Unterstützung zu finden. Nachdem genügend bereitwillige Menschen akquiriert wurden, die ein Kind bei sich aufnehmen konnten, setzte man dem Familienministerium die Pistole auf die Brust: Tut etwas, oder erklärt diesen Menschen, warum ihr die Kinder lieber sterben lasst!

Das dritte Projekt ließ im September diesen Jahres Gedenkkreuze für die Opfer der  Berliner Mauer an die europäischen Grenzmauern umziehen. Ganz einverstanden waren damit zumindest einige Politiker nicht. 😉 Im Nachgang sollten die Grenz-Mauern fallen, um Menschen aus Krisengebieten die Flucht aus gefährdeten Gebieten zu ermöglichen. Leider konnte das Projekt bisher nicht zu 100% abgeschlossen werden, da die Grenzpolizei intervenierte.

Das klare Fazit des Talks: Redet nicht nur, handelt! Es wird sich nichts ändern, wenn wir es nicht in die Hand nehmen.

Darum, etwas zu ändern, ging es auch in dem nächsten Talk, von dem ich gerne berichten würde: „Jugend hackt“.

Die Forderung der Bildungspolitik ist es seit längerem, unsere Kinder zu medienkompetenten Menschen zu erziehen. Leider finden wir in den Schulen nur allzu oft falsch verstandene Medienkompetenz. Es kann einfach nicht unser Ziel sein, den Schülerinnen und Schülern Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationstechniken beizubringen und uns dann auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: Wir haben es geschafft.

Medienkompetenz ist es nicht, auf dem Computer einen Text zu schreiben!

Als ich jung war habe ich meinen kaputten Walkman auseinander geschraubt, um zu sehen, wie er funktioniert. Heute gibt es keine Walkmans mehr (außer vielleicht im Museum). Aber es ist nicht verwunderlich, dass die Kids von heute genau wie ich damals, verstehen wollen, wie die technischen Geräte funktionieren, mit denen sie tagtäglich umgeben sind.

Wie programmiert man etwa Apps, die die Gesellschaft voranbringen? Wie schafft man ein Bewusstsein für die unbewussten Spuren, die wir mit jeder unserer Online-Aktivitäten hinterlassen? Wie kombiniert man Hardware mit der passenden Software, um sie zu smarten Gadgets für den Alltag zu machen?

Die Jugendlichen, die dieses Jahr an „Jugend hackt“ teilgenommen haben, stellten souverän ihre Projekte vor und zeigten, dass sie Neugier auf Technik haben und bereit sind, zu lernen, wie man verantwortungsvoll mit den neuen Medien umgeht. Das geht weit über den schulischen Ansatz hinaus und führt mir wieder einmal vor Augen, dass wir in der Schule dringend umdenken müssen.

Mich haben diese Jugendlichen jedenfalls schwer beeindruckt und ich selbst bereue es, nicht in einer Zeit aufgewachsen zu sein, in der es solche Angebote für Jugendliche bereits gab. Vielleicht wäre ich dann heute nicht der Technik-Analphabet, der ich bin…immerhin, Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationstechniken habe ich mir dann doch angeeignet.

Allerdings nicht in der Schule…damals hielt man das noch für unnötig.

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